04. Dezember 1948: 75. Jahrestag der Gründung der Freien Universität Berlin
„Veritas, Iustitia, Libertas“ – „Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit“: Diese drei Begriffe zieren das Siegel der Freien Universität Berlin. Gegründet 1948, war und ist die Universität im Berliner Westen nicht nur ein Ort unabhängiger wissenschaftlicher Forschung und Lehre. Ihre Gründung ist darüber hinaus einzubetten in die Zeit der zunehmenden Entfremdung der ehemaligen Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition nach dem Zweiten Weltkrieg mit den USA, Großbritannien und Frankreich auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite. Das besiegte und vom Nationalsozialismus befreite Deutschland und besonders die ehemalige, nach 1945 in vier Sektoren geteilte Reichshauptstadt Berlin stellten in dieser Phase des beginnenden Kalten Krieges einen besonderen Schauplatz der direkten Systemkonfrontation dar. Die Gründungs- und Entwicklungsgeschichte der Freien Universität Berlin ist demzufolge aufs Engste mit der deutschen Besatzungs- und Teilungsgeschichte verbunden. In den Jahrzehnten nach ihrer Gründung entwickelte sie sich zu einem Laborraum studentischer Freiheits- und Protestbewegungen.
Vorgeschichte der Gründung: Deutsche Kriegsniederlage, Besatzungszonen und beginnender Kalter Krieg
Im Dezember des Jahres 1941 schlossen sich die USA, Großbritannien und die Sowjetunion trotz ideologischer Gegensätze im Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland als deren Führungsmächte zur Anti-Hitler-Koalition zusammen. Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 7./8. Mai 1945 übernahmen die vier alliierten Siegermächte (unter Einbeziehung Frankreichs) in Form des Alliierten Kontrollrats die Macht in Deutschland. Infolge der Potsdamer Konferenz im Juli und August 1945 wurde das deutsche und österreichische Territorium in vier Besatzungszonen geteilt. Im völkerrechtlich nicht bindenden Kommuniqué von Potsdam verständigten sich die Regierungschefs der Hauptsiegermächte zwar auf gemeinsame Leitlinien im Umgang mit dem besiegten Deutschland. Angesichts des ideologischen Gegensatzes und der internationalen Herausbildung zweier antagonistischer Machtblöcke unter Führung der USA auf der einen und der Sowjetunion auf der anderen Seite entfernten sich die Alliierten jedoch schrittweise von dieser gemeinsamen Deutschlandpolitik. An ihre Stelle trat nach der „Hoffnungsrede“, in der US-Außenminister James F. Byrnes am 6. September 1946 in Stuttgart die Perspektive einer Zusammenarbeit mit anderen Besatzungszonen in wirtschaftlichen Gesichtspunkten skizzierte, eine Politik der Abgrenzung der westlichen Besatzungszonen von der Sowjetischen Besatzungszone, die schließlich 1949 in der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Westen und – darauf reagierend – der Deutschen Demokratischen Republik im Osten gipfelte.
Ursprünge der Gründung der Freien Universität Berlin
Die Sowjetunion nahm nach 1945 großen ideologischen Einfluss auf ihre Besatzungszone. Parallel zur Entnazifizierung, die in der SBZ deutlich vehementer vorangetrieben wurde als in anderen Besatzungszonen, brachte die politische Führung der Sowjetunion loyale Kommunistinnen und Kommunisten in politisch sowie gesellschaftlich relevante Positionen. 1946 wurde die ehemalige Friedrich-Wilhelms-Universität im Berliner Osten als „Universität Berlin“ neu eröffnet, unterstand jedoch nicht der akademischen Selbstverwaltung, sondern der ostzonalen Zentralverwaltung für Volksbildung. Zunehmend gerieten Studierende, aber auch Lehrkräfte, in Konflikte mit der Besatzungsmacht und der erstarkenden marxistisch-leninistischen SED. 1947 kam es so zu Verhaftungen von Studierenden durch die sowjetische Geheimpolizei. Im April 1948 wurden die Studenten Otto Stolz, Otto Hess und Joachim Schwarz wegen kritischer Äußerungen in der Zeitschrift „Colloquium“ vom Studium an der Universität Berlin ausgeschlossen. Stolz forderte daraufhin bei einer Kundgebung die Gründung einer freien Universität in einem der Westsektoren Berlins. Zum Wintersemester 1948/1949 begannen 491 Studentinnen und 1.649 Studenten in Dahlem – das sich aufgrund der bewegten Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert als Standort anbot – ihr Studium an der „Freien Universität Berlin“. Der Gründungsaufruf vom 23. Juli 1948 sicherte ihnen eine wissenschaftliche Ausbildung „frei von Furcht“ und eine Lehre und Forschung „ohne einseitige Bindung an parteipolitische Doktrin“ zu. Ihre Satzung erlangte unter dem Namen „Berliner Modell“, das von akademischer Selbstverwaltung geprägt war, nationale Bekanntheit. Als Gründungsrektor fungierte der Historiker Friedrich Meinecke.
Erste Jahre und Entwicklung der Freien Universität Berlin
Belastet durch die totale Blockade des Personen- und Güterverkehrs nach West-Berlin durch die Sowjetunion benötigten Lehrkräfte und Studierende im ersten Semester ein großes Maß an Improvisationstalent. In den 1950er-Jahren entwickelte sich die Freie Universität Berlin zu einer international renommierten Hochschule mit Anziehungskraft für deutsche und internationale Lehrende. Zuschüsse aus den USA in Höhe von 79,5 Millionen Mark aus dem Mitteln des Außenministeriums und zusätzlich 16,6 Millionen Mark von der „Ford-Foundation“ begünstigten diesen Aufstieg. Trotz Propaganda in der DDR gegen die „Westberliner NATO-Universität“ studierten auch Menschen aus Ost-Berlin und dem Berliner Umland in West-Berlin. Für die sogenannten „Oststudierenden“ wurden regelmäßig Lehrbücher und Kleider gesammelt. Erst der Bau der Berliner Mauer im August 1961 verwehrte diesen Studierenden den Zugang zur Freie Universität Berlin.
In den 1960er-Jahren begannen sich an der Freien Universität Berlin, wie auch andernorts in der Bundesrepublik und Europa, studentische Protestbewegungen zu formieren. Am 2. Juni 1967 erschossen Berliner Zivilpolizisten bei einer Demonstration gegen den Besuch des persischen Kaisers Schah Reza Pahlavi den an der Freien Universität immatrikulierten Studenten Benno Ohnesorg. Daraufhin entwickelte sich auch ausgehend von der Berliner Universität eine antiautoritäre Studentenbewegung, die sich als „Außerparlamentarische Opposition“ gegen bestehende gesellschaftliche Strukturen und für die Aufarbeitung der Verbrechen der Vätergeneration im nationalsozialistischen Regime einsetzte. Heute gehört die Freie Universität Berlin zu den 20 größten Hochschulen Deutschlands.