18. Mai 1948: 75. Jahrestag der Wiedereröffnung der Frankfurter Paulskirche
Die Frankfurter Paulskirche sucht als Symbol für die deutsche Demokratiegeschichte nicht nur in Hessen, sondern deutschlandweit ihresgleichen. Ab 1789 in 44-jähriger Bauzeit errichtet, tagten in dem Rundbau während der Revolution von 1848/1849 im Rahmen der Nationalversammlung die ersten Volksvertreter, um eine demokratische Verfassung auszuarbeiten. Am 18. März 1944 brannte die Paulskirche nach einem Luftangriff der Alliierten aus. Zum 100. Jahrestag der Eröffnung der Frankfurter Nationalversammlung wurde die Paulskirche vor 75 Jahren, am 18. Mai 1948, als „Haus aller Deutschen“ wiedereröffnet.
Gebäudegeschichte bis 1848
Am Paulsplatz, dem Ort der heutigen Paulskirche, wurde 1270 das gotische Frankfurter Barfüßer- oder Franziskanerkloster erstmals urkundlich erwähnt. In verschiedenen Perioden wurde der Bau bis zum 16. Jahrhundert um einen Kreuzgang, Gewölbe, Kanzel und Chor erweitert und ergänzt. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Barfüßerkirche als größte evangelische Kirche der rasch gewachsenen Stadt Frankfurt zu deren Hauptkirche. Nachdem 1782 der letzte Gottesdienst in der Barfüßerkirche stattgefunden hatte, wurde sie 1786/1787 wegen Baufälligkeit und Platzmangel abgerissen. Unter den verschiedenen Vorschlägen für die Gestaltung des Neubaus setzte sich der von Johann Georg Hess durch. 1789 begann schließlich der Neubau, bei dem überwiegend roter Mainsandstein verwendet wurde. Vor dem Hintergrund finanzieller Engpässe durch die Koalitionskriege gegen das napoleonische Frankreich zog sich der Kirchenbau mit einer fast dreißigjährigen Unterbrechung bis 1833 hin. In jenem Jahr wurde der klassizistische Neubau mit Grundrissform einer Ellipse schließlich als evangelische Hauptkirche der Stadt eröffnet. Ebenfalls 1833 entschied das lutherische Konsistorium, die kirchliche Verwaltungsbehörde, die Kirche nach dem Apostel Paulus zu benennen.
Während der Deutschen Revolution 1848/1849 diente die Paulskirche ab dem 18. Mai als Sitzungssaal des ersten gesamtdeutschen Parlamentes der Geschichte, nachdem sie Ende März/Anfang April bereits als Versammlungsort des Vorparlamentes genutzt worden war. Lediglich im Winter 1848/1849 mussten die Abgeordneten für 40 Sitzungen in die Kirche am Kornmarkt ausweichen, weil in der Paulskirche eine der ersten Zentralheizungen Deutschlands eingebaut wurde.
Zerstörung im Nationalsozialismus und Wiederaufbau nach 1945
Nach dem Tod Friedrich Eberts als erstes vom Parlament gewähltes deutsches Staatsoberhaupt im Jahr 1925 widmete der Frankfurter Magistrat ihm ein Denkmal an der Paulskirchenfassade. Die bronzene männliche Aktfigur entwarf Richard Scheibe. Im April 1933 wurde das Denkmal auf Geheiß der Nationalsozialisten abgebaut und überdauerte das Jahr 1945 im Keller des Volkskundemuseums. Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf Richard Scheibe eine neue Ebert-Figur, die 1950 am Ort der Vorherigen aufgestellt wurde.
Nachdem sie bereits 1943 von fünf Brandbomben getroffen und beschädigt worden war, zerstörte ein alliierter Angriff am 18. März 1944 die Paulskirche sechs Tage nach dem letzten Gottesdienst schließlich vollständig. Aufgrund ihres Symbolcharakters als „Wiege der deutschen Demokratie“ wurde die Frankfurter Paulskirche unter der Leitung von Rudolf Schwarz als eines der ersten Gebäude Frankfurts nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut. An ihrem Beispiel wurde eine öffentliche Debatte ausgetragen, die sich grundsätzlich mit der Frage nach einem originalgetreu-rekonstruierenden oder modernisierten Wiederaufbau zerstörter deutscher Städte befasste.
Die Jahrhundertglocke und die Wiedereröffnung
Der Wiederaufbau erhielt auf Betreiben des Frankfurter Oberbürgermeisters Walter Kolb auch über die Stadtgrenzen hinaus eine politische Dimension. Auf sein Werben um alliierte Unterstützung hin wurden von der Handelskammer aus der britischen Besatzungszone die weltliche Jahrhundertglocke in Gedenken an das 100-jährige Jubiläum der Revolution von 1848 und aus der sowjetischen Besatzungszone vier kleinere Glocken aus Apolda gestiftet. Auf der vom Scheibe-Schüler Paul Egon Schiffers geschaffenen Jahrhundertglocke ist neben einem Zitat des Präsidenten der Nationalversammlung Heinrich von Gagern zu lesen: „Das Rad des Gesetzes dreh sich/ ohne Unterlass – greif nicht hin/ ein in die Speichen“. Weil der innere Tonaufbau der Glocke verfehlt war, wirkte sie nie als Teil des Frankfurter Stadtgeläuts. Im Rahmen des Wiederaufbaus wurde die ursprüngliche Innengestaltung aus Mangel an Baustoffen stark verändert. Die Festansprache zur Wiedereröffnung hielt Fritz von Unruh in Form einer kritischen Reflexion der Zeit des Nationalsozialismus.
Die Jahrhundertglocke künftig im „Haus der Demokratie“?
„1987 wurde die Jahrhundertglocke aus der Paulskirche entfernt. Die Planungen, die Paulskirche zu einem nationalen Lern- und Erinnerungsort mit direkt angeschlossenem ‚Haus der Demokratie‘ weiterzuentwickeln, laufen. Vielleicht kann darüber nachgedacht werden, dieses weltliche Symbol des demokratischen Neuanfangs nach der Katastrophe des Nationalsozialismus, diese deutsche Liberty Bell nach dem Vorbild aus Philadelphia, in einem ‚Haus der Demokratie‘ der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,“ wünscht sich Dr. Alexander Jehn, Direktor der HLZ.
Eine unter anderem durch die Hessische Landeszentrale für politische Bildung initiierte Ausstellung der Jahrhundertglocke anlässlich des 175. Jubiläums der Revolutionäre in der Paulskirche in diesem Jahr ist in Planung.