19. Februar 2020: 2. Jahrestag des Attentats in Hanau
Gefährliche Mischung aus Fremdenhass, Antisemitismus und Verschwörungstheorien
Die Tat ist bis heute unfassbar. Und doch wird um Erklärungen gerungen. Forensiker wollen beim Attentäter erstmals bereits in 2001 Hinweise auf eine schizophrene Wahnerkrankung erkennen, als dieser seinerzeit eine Anzeige wegen einer vermuteten Bespitzelung unter Beteiligung von Nachrichtendiensten erstattete. Unzweifelhaft ist, dass sich dieses abscheuliche Attentat einreiht in eine bedrohliche Kette rechts-extremistischer Gewalt gegen eine freiheitliche, offene Gesellschaft.
Kette von Gewaltverbrechen
Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist auch, wie es der Rechtsextremismus-Experte Tanjev Schultz formulierte, eine „nicht endende Geschichte rechter Gewalt“. Erinnert sei in der jüngsten Gegenwart an die (versuchten) rassistisch und antisemitisch motivierten Anschläge, Attentate und Massenmorde von Halle (Saale) am 9. Oktober 2019, der Mord an Walter Lübcke am 2. Juni 2019, von München am 22. Juli 2016, und die NSU-Mordserie zwischen 2000 und 2006. Die Gewalttaten der Gegenwart zeigen, wie tödlich die Gefahren rechtsextremer Gewalt heute in der Bundesrepublik besonders für Minderheiten noch immer sind. Antisemitismus und Antijudaismus, Rassismus, Fremdenhass, Frauenfeindlichkeit sowie der abstruse Glaube an Verschwörungsideologien sind in unterschiedlichen Zusammenmischun-gen die Triebfedern immer wiederkehrender Anschläge und Attentate durch zumeist männliche rechtsextreme Gewalttäter.
Das Attentat in Hanau #saytheirnames
Am 19. Februar 2020 erschoss ein 43-jähriger Attentäter aus rassistischen Gründen neun Hanauer Bürgerinnen und Bürger mit internationaler Familiengeschichte. Die Töchter und Söhne der Stadt starben durch Schüsse auf eine Shishabar, eine weitere Bar und einen Kiosk. Anschließend fuhr der Attentäter in die Wohnung seiner Eltern, ermordete zuerst seine Mutter und erschoss sich anschließend selbst. Die Namen der Opfer lauten: Ferhat Unvar (22), Mercedes Kierpacz (35), Sedat Gürbüz (30), Gökhan Gültekin (37), Hamza Kurtović (22), Kaloyan Velkov (33), Vili Viorel Păun (23), Fatih Saraçoğlu (34) und Said Nesar Hashemi (21). Mindestens fünf weitere Personen wurden nach Angaben des Landeskriminalamts durch Schüsse des Täters verletzt.
Der Attentäter
Der Attentäter von Hanau hatte laut eines aktuellen Gutachtens von Henning Saß, eingesetzter Forensiker im Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag, eine schizophrene Wahnerkrankung. Ab spätestens 2013 war er Mitglied in einem Schützenverein. Er kaufte sich 2014 und 2018 mehrere Waffen. Die dafür notwendigen Waffenkarten erhielt der Attentäter durch die zuständige Waffenbehörde ohne die sonst notwendigen Überprüfungen über psychische Vor- oder Suchterkrankungen beim Gesundheitsamt. Henning Saß betonte im Untersuchungsausschuss, dass der Attentäter die Vorbereitungen der Tat ohne Einschränkungen durch seine Wahnvorstellungen minutiös und bis ins kleinste Detail plante. Vielmehr verstärkten seine verschwörungsideologischen Annahmen, die er durch den Austausch in Internetforen intensivierte und durch Gleichdenkende bestärkt wurden, seinen Rassismus und seinen Hass auf Menschen mit internationaler Familiengeschichte.
Gesellschaftliche Initiativen und staatliche Hilfsangebote
Die Familien der Opfer, die Verletzten und die traumatisierten anwesenden Menschen, die die Ermordung ihrer Familienmitglieder und Freunde mit ansehen mussten, leben bis heute mit den Schmerzen und der Trauer, die diese grausame Tat ausgelöst hat. Gemeinsam gründeten sie in Hanau die Initiative 19. Februar. Das Bundesministerium für Justiz bietet umfangreiche Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige des Attentats in Hanau und für alle Opfer von politischer Gewalt hier an.