08. Dezember 1922: 100. Geburtstag von Gerhard Löwenthal
Jude, Holocaust-Überlebender, streitbarer Journalist, von der DDR-Staatssicherheit Bespitzelter, Träger des Bundesverdienstkreuzes – das alles war Gerhard Löwenthal. Den meisten ist er wohl als Moderator des ZDF-Magazins ein Begriff, das er von 1969 bis 1987 mit besonderem Augenmerk auf der Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen in der DDR moderierte. In dieser Funktion und im Kontext seiner Biografie leistete Löwenthal als polarisierende öffentliche Figur einen entscheidenden Beitrag zur Konsolidierung einer kontroversen Debattenkultur in der Gesellschaft und begleitete bis zu seinem Tod die deutsche Nachkriegsgeschichte mit Fokus auf die deutsch-deutschen Beziehungen journalistisch.
Kindheit, Jugend und erste journalistische Tätigkeit
Gerhard Löwenthal wurde am 8. Dezember 1922 als Sohn eines jüdischen Kaufmannes in Berlin geboren. Er und sein Vater waren im NS-Regime zeitweise im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert, Teile seiner Familie starben im Ghetto Theresienstadt. Auch wegen seiner Arbeit in einem als kriegswichtig eingestuften Optikbetriebs überlebte Löwenthal den Holocaust als einer von nur wenigen hundert Berliner Juden. Nach Kriegsende arbeitete Löwenthal für den Rundfunksender im amerikanischen Sektor (RIAS) und äußerte sich in seinen Reportagen kritisch gegenüber der Ausweitung des sowjetischen Einflusses im Ostsektor Berlins, weswegen er sich zunehmenden Bedrohungen von kommunistischen Funktionären ausgesetzt sah. In der Folge brach er sein Medizinstudium an der im Osten Berlins gelegenen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ab, wurde Mitbegründer der Freien Universität zu Berlin im Westteil der Stadt und war ab 1951 Programmdirektor des RIAS und später des „Sender Freies Berlin“ (SFB).
Leitung des ZDF-Magazin und politische Aktivität
Beginnend 1958 arbeitete Gerhard Löwenthal fünf Jahre lang bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris, bevor er 1963 als Redaktionsleiter in Brüssel zum noch jungen ZDF kam. 1968 trat er schließlich die Position an, in der er den meisten Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern in Erinnerung geblieben sein dürfte – er wurde Moderator des ZDF-Magazins, das er bis 1987 moderierte. Löwenthal galt zeitlebens als konservativer Antikommunist, der besonders die „Außerparlamentarische Opposition“, in der sich während der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU) vor allem Studenten formierten, und die Neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition Brandt/Scheel ab 1969 scharf kritisierte. In seinen Sendungen beschäftigte er sich außerdem mit Menschenrechtsverletzungen in der DDR, der Verfolgung von Ausreiseantragstellern und die Diskreditierung politischer Gegner und (vermeintlicher) Dissidenten. Vor diesem Hintergrund war in der DDR das Ministerium für Staatssicherheit gegen Löwenthal aktiv: Seine Stasi-Akte umfasst 25 Ordner, Löwenthal wurde im Westen bespitzelt. Ziel der DDR-Staatssicherheit war es, einerseits Löwenthals Legitimität als Person des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik in Frage zu stellen und andererseits das von ihm gegründete Netzwerk „Hilferufe von drüben“, das politische Verfolgte und Häftlinge in der DDR unterstützte, zu destabilisieren.
Leit- und Reizfigur
In seiner Position war Löwenthal als polarisierende Projektionsfläche für unterschiedliche politische Gesinnungen Leit- oder Reizfigur, Sprachrohr der Konservativen oder Provokateur für Linke. Nach der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer, dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, durch die linksterroristische „Rote Armee Fraktion“ (RAF) 1977 stellten westliche Geheimdienste Löwenthal, den sie von den RAF-Terroristen ebenfalls bedroht sahen, über das Jahr 1987 hinaus unter Personenschutz. In den 1970er-Jahren engagierte der Journalist sich für den „Bund Freies Deutschland“. Die Berliner Regionalpartei positionierte sich unter anderem gegen die Ostpolitik Brandts. Von 1977 bis 1994 war er außerdem Vorsitzender der konservativen Deutschland-Stiftung. In den Monaten nach dem Mauerfall partizipierte Löwenthal am Aufbau der „Deutschen Sozialen Union“ in Leipzig, die als rechtskonservative Kleinpartei Teil des Wahlbündnisses „Allianz für Deutschland“ in der DDR war.
1978 wurde Gerhard Löwenthal mit der Goldenen Kamera für die Reihe im ZDF-Magazin erschienene Reihe „Hilferuf von drüben“ ausgezeichnet. 1979 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Von 1967 bis 2002 lebte Löwenthal in Wiesbaden, wo er am 6. Dezember 2002 im Alter von 79 Jahren verstarb.