09. August 1923: 100. Jahrestag der Ausgabe von 500-Millionen-Markscheinen in Rüsselsheim im Rahmen der Hyperinflation 1923
Am 09. August des Jahres 1923 gab die Firma Adam Opel im hessischen Rüsselsheim nahe Frankfurt im Angesicht der grassierenden Hyperinflation Notgeldscheine in Höhe von 500 Millionen Reichsmark aus. Ziel dieser Notgeldausgaben, die bereits seit 1914 vorwiegend von Gemeinden und Industrieunternehmen durchgeführt wurden, war es, den Mangel an regulärem Münz- bzw. Notengeld zu beheben, der durch die Kriegs- und Kriegsfolgekosten ausgelöst worden war. Auf den im August 1923 in Rüsselsheim ausgegebenen Noten war zu lesen: „Gutschein der Firma Opel in Rüsselsheim über Fünfhundert Millionen Reichsmark“. Welche Hintergründe sind mit der Hyperinflation 1923 und dem Verfall der Sparguthaben verbunden? Wie war die Notgeldausgabe 1923 in der Weimarer Republik im Allgemeinen organisiert? Und wie prägte die Firma Opel die Geldausgabe in Rüsselsheim?
Währungspolitik im Ersten Weltkrieg
Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer des Jahres 1914 verabschiedete der Reichstag eine Reihe von Währungsgesetzen, mit denen die Golddeckung der Mark ausgesetzt wurde. Die gesteigerte Menge an großen Banknoten, die das Deutsche Reich in der Folge in Umlauf brachte, um die Kriegskosten zu decken, wurde so von der Menge an Gold im Besitz des deutschen Staates entkoppelt. Besonders in den deutschen Grenzgebieten mangelte es an (kleineren) Zahlungsmitteln. Um diese Mangelerscheinungen zu bekämpfen, begannen in erster Linie Gemeinden und Industrieunternehmen teils mit und teils ohne staatliche Genehmigung Geldscheine zu drucken, die (meist in regionalen Grenzen) als Zahlungsmittel akzeptiert wurden. Expertinnen und Experten schätzen, dass es in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren bis etwa 1924 rund 450 solcher Ausgabestellen gab. Dabei wurden die Geldscheine besonders während des Ersten Weltkrieges gar nicht als „Notgeld“, sondern häufig als „Gutscheine“ bezeichnet.
Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges erhöhte sich die Menge des im Umlauf befindlichen Bargeldes so von 13 Milliarden Mark auf 60 Milliarden Mark. Darüber hinaus kauften viele Deutsche im Vertrauen auf einen schnellen militärischen Erfolg Kriegsanleihen, als zinstragende Wertpapiere, die der Käuferin oder dem Käufer ein Recht auf Rückzahlung und Zahlung der festgeschriebenen Zinsen garantieren. Diese Kriegsanleihen spielten für das Deutsche Reich eine herausragende Rolle bei der Finanzierung des Ersten Weltkrieges. Wegen der massiven Inflation während und vor allem nach dem Krieg erhielten die Käuferinnen und Käufer nach dem verlorenen Krieg jedoch einen ungleich geringeren Geldwert als den gezahlten zurück. Nur so konnte der Staat die entstandenen Kosten überhaupt decken.
Wirtschaftspolitische Lage in der Weimarer Republik
All diese Faktoren stellten eine schwere wirtschaftliche, aber auch gesellschaftspolitische Hypothek für die Entwicklung der ersten deutschen Demokratie dar, die 1918 aus der Novemberrevolution hervorging. Dem zum Trotz erlebte die deutsche Wirtschaft zwischen 1919 und 1922 einen Boom, der damit zu erklären ist, dass sich die vergleichsweise billige Mark stimulierend auf die Exportwirtschaft auswirkte. 1922 sank die Arbeitslosenquote in Deutschland sogar auf unter einen Prozent. Im Vergleich dazu waren die USA und Großbritannien auf die Erhaltung der Währungsstabilität bedacht und nahmen dafür Arbeitslosenquoten von bis zu 20 Prozent in Kauf. Gleichzeitig belasteten die im Versailler Vertrag von 1919 festgeschriebenen Reparationszahlungen, die die junge Weimarer Republik an die alliierten Siegermächte zu zahlen hatte, die deutsche Wirtschaft. 1921 wurden diese Reparationszahlungen auf eine Höhe von 132 Milliarden Reichsmark festgesetzt. Die Verhandlungen über die genaue Summe dauerten jedoch bis 1932 an.
Eskalation der Inflation im Krisenjahr 1923
Als die Weimarer Republik zu Beginn des Jahres 1923 mit der ebenfalls im Versailler Vertrag festgelegten Lieferung von Holz, Kohle und Telegrafenmasten aus dem Ruhrgebiet in den Rückstand geriet, eskalierte die wirtschaftlich und politisch zugespitzte Ausgangssituation. 100.000 französische und belgische Soldaten besetzten am 11. Januar das Ruhrgebiet und die Reichsregierung unter Reichskanzler Wilhelm Cuno (parteilos) rief zum „passiven Widerstand“ auf. Die nun folgende Geldentwertung erreichte 1923 Höhen von mehr als 50 Prozent im Monat und entglitt jeder staatlichen Kontrolle. Um dieser Lage Herr zu werden, genehmigte die Reichsregierung die Ausgabe von Notgeldscheinen, die hinsichtlich der Zahl der Ausgabestellen und der Summe der Geldmenge im Umlauf um ein Vielfaches höher war als während der Kriegs- und ersten Nachkriegsmonate. Schätzungen der Reichbank zufolge belief sich die Summe an ungedecktem Notgeld auf 400 bis 500 Trillionen Mark, hinzu kamen etwa 110 Trillionen von der Reichsbank selbst ausgegebene Mark. In diese Phase der Notgeldausgabe sind auch die 500-Milliarden-Mark-Scheine aus Rüsselsheim einzuordnen.
Notgeld in Rüsselsheim
Die 1862 gegründete Firma Adam Opel die auf Herrn Opel zurückgeht, stellte im 19. Jahrhundert in Rüsselsheim zunächst Nähmaschinen und ab 1898 auch Automobile her. Bis 1928 stieg das Unternehmen zum größten Automobilhersteller Deutschlands auf. Vor dem Hintergrund der unkontrollierten Inflation in Deutschland im Jahr 1923 begann die Firma am 9. August selbst Notgeldscheine in Höhe von 500 Milliarden Mark auszugeben. Das Firmenlogo des Automobilherstellers zierte diese Scheine in Form eines Wasserzeichens. Angenommen wurden sie dem Aufdruck nach bei „allen Geschäftsleuten Rüsselsheims“ sowie „an der Kasse der Firma Adam Opel“. Wie viele dieser Scheine die Firma Opel im Jahr 1923 ausgab, ist heute kaum noch zu ermessen. Bei der Bundesbank sind jedoch noch 60.000 verschiedene Notgeldscheine aus dem Jahr 1923 erhalten.
Weitere Informationen zum Wirken der Hyperinflation von 1923 in Hessen und deren Bekämpfung finden Sie in der Kalenderblatt-Reihe der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung zu diesem Thema.